Liebe Nicky,
danke für Deine schönen Worte und Bilder, sie haben Simone und mich zu (erneuten) Tränen gerührt.
Besonders das süße Baby-Bild in der Alf-Bettwäsche war so entzückend und schrecklich zugleich. Gypsy hat sich in ihrer Zeit bei uns nie so auf die Seite gekipferlt, sondern ist stets zum Schlafen einfach auf den Bauch gesunken. Vielleicht war ihr die Seitenstellung zuletzt unangenehm oder tat weh, doch für ihren letzten Schlaf hat sie sich genau so, wie es auf Deinem Bild zusehen ist, auf ihre Flanke gebettet und ich wette, sie hatte mit Sicherheit keine Schmerzen mehr.
Gestern morgen bin ich um kurz vor neun Uhr aufgestanden und obgleich ein erstes zartes Muckern der Wutzen aufkam, habe ich mich, ohne die Frühstückskräuter bereitzustellen, schnell aus dem Schlafzimmer gestohlen, um den Start des Formel 1 Rennens nicht zu verpassen. Nachdem RTL seinen ersten Boxenstopp eingeläutet hatte, bin ich zurück zum Schlafzimmer und als ich die Tür öffnete, stand Gypsy bereits in der ersten Reihe.
Wie so oft in den letzten 6 Monaten, war sie es, die die Karawane der Tapferen in die "Weiten" unserer Wohnung anführte. Allerdings kam sie nur 3 Meter bis in die Mitte der Küche und dort starrte Sie den Kühlschrank an. Inzwischen hatte ich einen Frühstücksteller für die kleinen Racker im Wohnzimmer bereitgestellt und die anderen 5 Nasen hatten Gypsy längst überholt und mit ihrem morgendlichen Gelage begonnen.
Als ich in die Küche zurück ging, saß Gypsy noch immer unverändert, ihren Blick hatte sie noch immer auf den Kühlschrank gerichtet. Kurzerhand schnappt ich sie mir, wobei sie ihr süße Gurren erklingen ließ, so wie sie es auch immer vor dem Essen tat - Mann, werde ich das vermissen, zum Glück hat sich unsere kleine Erna das Essens-Gurren von der lieben Oma abgeguckt. Bei den anderen am Teller abgesetzt, begann auch Gypsy nach erneutem Gegurre mit dem Frühstück und ich habe sie schon lange nicht mehr so reinhauen sehen. So wählerisch sie sonst auch immer gewesen ist, an diesem Morgen schmeckte ihr einfach alles. Aber ganz besonders die Gurkenstückchen, die ich aus dem Kühlschrank geholt hatte, aß sie mit größter Wonne. Ich hoffte, ihren Blick Richtung Kühlschrank richtig gedeutet zu haben und sie hatte es auf die Gurke abgesehen.
Vom Rennen habe ich kaum noch etwas mitbekommen, viel zu begeistert war ich vom Appetit der kleinen Bestien. Als das Rennen dann um etwa Viertel vor Elf zu Ende ging, hatten bereits alle Fellnasen die Heimreise ins Schlafzimmer angetreten, sogar Vielfraß Karla, die den Trog sonst immer als letzte verlässt, war aufgebrochen. Nur Gyspy war noch da und benagte eine Haferrispe, die ich ihr exklusiv gegeben hatte, als die anderen fort waren. Nachdem sie schließlich ihr Mahl beendet hatte und zum verdienten Schlaf in sich zusammensacken wollte, habe ich sie schnell genommen und zurück ins Schlafzimmer in den Auslauf des Geheges gebracht, um anschließend Simone zu wecken und unseren Frühstückstisch zu decken.
Nachdem das Frühstück bereitet war, habe ich Simone endgültig aus dem Bett geworfen und sie wollte grad zu ihrem am Kleiderschrank hängenden Bademantel greifen, als sie bemerkte, dass klein Gypsy es sich in dem auf dem Boden hängenden Teil des Bademantels bequem gemacht hatte. "Warum auch einen der zahlreichen Kuschelsäcke nehmen, wenn man auf der anderen Seite des Betts ein Kleidungsstück der Zweibeiner erobern kann?" :wink:
Der kleine Plüschterrorist durfte seinen ehrlich erkämpften Platz behalten und wir frühstückten ausgiebig, ehe sich die Ereignisse zu überschlagen begannen. Wir stellten fest, dass sich unsere andere Omi Morla ihr rechtes Auge verletzt hatte. Ein Anruf bei der Tierklink und wir wurden für halb drei bestellt. Die Transport-Box stand schon mit Heu und etwas Wiese im Wohnzimmer bereit, was einer Einladung gleich kam, die sich Rabauke Fenja nicht entgehen lassen konnte. Also das Ganze nochmal von vorn und dann ab mit Morla in die TK. Dort wurden unsere Nerven trotz Termins eine halbe Stunde auf die Probe gestellt - es war ja erst fünf Tage her, als der schreckliche Kampf von Martha eben dort beendet worden war. Wie erleichtert waren wir, als wir von einem unserer bevorzugten Ärzte ins Behandlungszimmer gebeten wurden und er nach einer vorbildlichen Behandlung feststellte, dass Morlas Verletzung wohl nicht allzu tief sei und mit einer zehntägigen Augentropfenbehandlung wieder in Ordnung gebracht werden kann.
Zuhause zog sich Morla ersteinmal beleidigt und geschafft zu einem dreistündigen Mittagsschläfchen hin und der Tag plätscherte für uns Sonntagstypisch dahin. Schließlich spielten wir eine Partie Scrabble und während eines Spielzugs von Simone ging ich kurz ins Schlafzimmer und bot den Stinkern etwas von dem am Vortag frischgepflückten Löwenzahn an. Alle stürzten sich begeistert darauf, Gypsy konnte sich allerdings nicht aus ihrem Kuschelsack aufraffen, also habe ich ihr ein paar Blätter hineingelegt. Im Nachhinein glaube ich, dass ihre große Müdigkeit hier bereits eingesetzt hatte. Nach dem Spiel füllten wir die Heureserven wieder auf und Gypsy hatte sich in eine der Hütten im Gehege zurückgezogen. Nachdem wir uns bettfertig gemacht hatten, fischte Simone die kleine Glückskugel dort heraus, da das allabendliche Füße-Salben noch anstand. Als ich in der Küche die Salbe holen wollte, hörte ich Simone aus dem Wohnzimmer rufen, dass Gypsy wohl ihre letzte Reise angetreten hat. Ich konnte das im ersten Moment gar nicht realisieren und wollte es nicht ernst nehmen, aber irgendwie stellte sich dann unmittelbar, und ohne dass ich das Wohnzimmer bereits betreten hatte, die unumstößliche Gewissheit ein, dass Gypsy uns nun verlassen würde.
Die Salbe war nun egal und wir legten die ganz schwache und so unglaublich müde Maus in einen ihrer geliebten Kuschelsäcke. Anschließend gingen wir zurück ins Wohnzimmer und lasen uns gemeinsam den wunderschönen Artikel "Jedes Leben endet" auf "diebrain" durch. Hier begannen die ersten Tränen zu fließen und es sollten weißgott nicht die letzten sein. Es heißt hier, "für unsere Lieblinge ist das Sterben in gewohnter Umgebung ganz natürlich und somit das Beste, was ihnen am Ende ihres Lebens passieren kann." Wir beschlossen also, Gypsy ihre wohlverdiente, letzte Ruhe im Kuschelsack und im Kreise ihrer Schweinefamilie antreten zu lassen. Es war inzwischen kurz vor Mitternacht und Gypsy Herzschlag war kaum noch zu spüren. Während wir uns ins Bett zurückzogen, konnten wir beobachten, wie sich alle Schweine von Gypsy verabschiedeten. Während Erna, Otto und Fenja ihre Nasen nur recht kurz ins Sackinnere steckten und etwas ratlos und überfordert wikten, begleiteten die beiden älteren Damen, soweit es ihnen möglich war, Gypsymaus auf ihre letzte Reise. Zunächst spendete Morla ihrer inzwischen so lieb gewonnenen Freundin Trost und Wärme und schließlich löste Karla sie ab. Um Eins bat Simone Karla zur Seite und holte Gypsy aus dem Kuschelsack. Die liebe, kleine Oma hatte ihre Augen geschlossen, die Ohren waren etwas aufgestellt, so wie dies bei sehr jungen Schweinchen typisch ist. Sie lag auf der Seite und sah so friedlich aus. Da sie bereits etwas steif war, denke ich, dass Morla sie bis zur Grenze des Hierseins begleitet hat und Karla anschließend eine Art Totenwache übernommen hat. Alles war sehr friedlich und ich glaube zurecht sagen zu können, dass Gypsys Tod so erhaben war, wie auch ihr fast sieben Jahre andauerndes Leben.
Wir haben sie anschließend in der von ihr gewählten Position in einen für sie gestalteten und mit Streu und Heu ausgekleideten Karton gebettet. Dazu haben wir ihr etwas Gurke und Löwenzahn sowie ein Gänseblümchen gelegt, dies waren ihre liebsten Leckerlis der vergangenen Wochen. Heute morgen haben wir sie an dem uns am würdigsten erscheinenden Ort beigesetzt und den Rest des Tages damit verbracht, das Gehege zu säubern und dabei in schönen und doch schmerzhaften Erinnerungen zu schwelgen.
Es waren nur knapp sechs Monate, die wir mit Gypsy verbracht haben, also bloß ein Bruchteil der Zeit, die Du mit Deinem Liebling zusammengelebt hast, liebe Nicky. Aber diese Monate waren so dermaßen intensiv, da Du uns mit ihr ein so zutrauliches und anhängliches Schweinchen in Obhut gegeben hast, wie wir es bisher noch nicht kannten. Auch Morla und Karla sind uns gegenüber total entspannt, aber freiwillige Streicheleinheiten holen sie sich nicht ab. Das feste Fußpflege-Ritual und die immer wieder notwendigen Bauchmassagen haben schließlich ihr übriges dazu beigetragen, dass zwischen Gyspy und uns eine ganz besonders enge Bindung entstanden ist.
Ihr Fortgehen war wohl das denkbar schönste und doch tut es nun sehr weh, da wir eine uns so vertraute und liebgewonnene Perönlichkeit verloren haben. Die vergangenen sechs Monate haben uns jedoch ein Füllhorn an Erinnerungen geschenkt, die uns ein Leben lang begleiten und schon bald mit Glück ansatt mit Schmerz erfüllen werden. Dafür möchte ich sowohl Gypsy als auch Dir, liebe Nicky, von Herzen danken.
Ich wünsche Dir viel Kraft und alles Gute und freue mich darauf, Dir gemeinsam mit Simone Gypsys Ruheort zu zeigen.
Und Du, liebe Gypsy, wie kurz kamen mir unser letzter gemeinsamer Tag vor und wie lange erscheint mir diese erste Tag ohne Dich. Wir alle vermissen Dich und hoffen, dass es Dir gut geht, wo auch immer Du jetzt bist.