Ich habe das Gefühl, dass es in letzter Zeit hier wieder zu sehr vielen Fragen zum Thema Schwangerschaft kommt, die daraus resultieren, dass der Halter sich vorher nicht wirklich Gedanken gemacht hat. Wir alle wissen, dass es alleine hier schon unzählige Geschichten gibt, in denen ein Muttertier eine sinnlose Schwangerschaft mit dem Leben bezahlen musste.
Es wäre mir deswegen ein Anliegen, hier einige immer wieder gestellte Fragen zum Thema Schwangerschaft bei Meeries zu beantworten, in der Hoffnung, dass User/Halter, die "mal eben Babys haben wollen" oder eine "Hobbyzucht" betreiben, sich das noch einmal sehr gut überlegen, sich weitergehend informieren und hoffentlich davon Abstand nehmen, ohne Fachwissen Babys in die Welt zu setzen.
Sollten eurerseits noch andere Fragen "typisch" sein, könnt ihr sie mir gerne zusenden, damit man sie in Posting Nummer 1 integrieren kann und alle Infos oben stehen. Danke!
----------------------------------------------------------------------------------
1. Warum gibt es hier in diesem Forum keine Zuchttipps bzw warum reagieren manche User "unfreundlich", wenn man Babys haben will?
Dieses Forum vertritt den Standpunkt, dass es schon genügend Meerschweinchen, auch Babys gibt, die keiner haben will und die die Tierheime und Notstationen überfüllen. Zudem wird hier sehr kritisch gesehen, dass vielen Menschen, die Babys haben wollen, schlicht und ergreifend das notwendige Fachwissen fehlt, was man aber haben muss, um Mutter und Jungtiere keinen unnötigen Gefahren, soweit vermeidbar, auszusetzen.
2. Ich weiß, dass es Risiken gibt, aber ich hätte einfach mal so gerne Babys. Was kann ich tun?
Es gibt- natürlich nicht immer, aber immer wieder- in fast jedem Tierheim Meerie-Babys, die auf ein gutes Zuhause warten. Zudem gibt es deutschlandweit sehr viele Notstationen, die fast immer Babys haben, weil immer wieder trächtige Tiere abgegeben werden, die keiner brauchen kann. Wenn ihr hier ein Baby aufnehmt, entlastet ihr die Stationen und habt die Chance, einem weggegebenen Tier ein gutes, artgerechtes Zuhause zu bieten, ohne dass ihr selbst vermehren oder das Muttertier der Gefahr aussetzen müsst.
3. Eine Schwangerschaft soll angeblich gefährlich sein. Warum das denn?
Zum einen stellt jede Schwangerschaft ein grundsätzliches Risiko dar, vergleichbar mit dem des Menschen. Den Ausgang einer Schwangerschaft kann niemand vorhersagen, es kann immer Komplikationen geben, man weiß das einfach nicht. Fraglich ist, ob das dieses Risiko in Kauf nehmen muss, wenn es einfach keinen Grund dafür gibt.
Zum anderen werden die Risiken größer, je älter das Tier wird. Wenn ein Tier einmal 1 Jahr alt ist und bis dahin noch keine Geburt hatte, sollte es auch nicht mehr gedeckt werden, denn das Becken verknöchert zunehmend und kann die Juntiere dann nicht mehr durchlassen. Es muss dann ein Kaiserschnitt folgen, den das Muttertier aber trotzdem meistens mit dem Leben bezahlen muss, auch wenn man die Jungtiere so gegebenfalls vielleicht retten kann. Auch das ist schwierig, denn Babys ohne Mutter aufziehen kostet Zeit, Geld und Nerven. Je älter das Tier wird, umso schwerer erholt es sich natürlich auch von den Strapazen der Schwangerschaft und der Geburt. Die Geburt ist ein Kraftakt, das Säugen kostet Energie, und ein altes Tier kann das vielleicht nicht mehr so wegstecken wie ein junges.
Generell kann man sagen, dass das Risiko für schwere Komplikationen beim Meerschweinchen mit durchschnittlich 15% angegeben werden kann. (Diese Zahl wurde hier mit minimalen Abweichungen nach oben und unten mehrmals genannt, darauf beziehe ich mich hier). Bedeutet, dass es im Schnitt bei 15 von 100 Tieren zu irgendwelchen Komplikationen kommt, die schlimmstenfalls tödlich enden können.
4. Mein Tierarzt sagt, dass eine Schwangerschaft völlig ok ist. Warum sagt ihr etwas anderes?
Bitte bedenkt, dass ein Tierarzt nicht zwangsläufig so viel Ahnung von Meeries hat, "nur" weil er Tierarzt ist. Es ist keine Pflicht, sich im Studium mit Meerschweinchen zu beschäftigen, so dass so mancher TA, der nicht viele Meeries als Patienten hat und selbst auch keine besitzt, nicht unbedingt mehr Ahnung als der Halter hat. Auf so eine Aussage, dass eine Schwangerschaft unproblematisch wäre, sollte man nicht zu viel geben! Hier ist es sinnvoller, erfahrene Halter, Züchter mit Papieren usw. zu fragen, die haben die kompetenteren Antworten!
5. Warum muss man denn Ahnung von Genetik haben?
Wer keine Ahnung von Genetik hat, riskiert eine Verpaarung von Tieren, die genetisch nicht zueinander passen und deren Nachkommen schwere Missbildungen aufweisen. Man muss also zum einen wissen, ob die Elterntiere und deren Eltern Zahnprobleme, Rolllider usw. hatten. Solche Tiere tragen die entsprechende Veranlagung in sich, die weitergegeben werden kann und sie sind deswegen für jede Form von "Zucht" komplett ungeeignet. Zudem ist es wichtig zu wissen, ob eines oder gar beide Elterntiere Schimmel oder Dalmatiner sind, auch versteckte! Wenn dies der Fall ist, darf ebenfalls mit diesen Tieren keine Vermehrung betrieben werden, da diese beiden Gene, vereinfacht gesagt, nicht zueinanderpassen und schwerste Missbildungen oder Totgeburten die Folge sein können!
Wenn man sich ernsthaft mit der Thematik Genetik beschäftigt, wird man feststellen, dass dies ein sehr kompliziertes Thema ist und dass man Zeit und Ausdauer mitbringen muss, wenn man sich ernsthaft damit befassen will. Wer das nicht will oder nicht kann, sollte keinesfalls Nachwuchs riskieren!!!
6. Warum soll man nicht mit Tieren aus der Zoohandlung züchten/vermehren?
Das hat mit der wichtigen Rolle der Genetik zu tun. Um sicherzugehen, dass weder die Elterntiere noch deren Eltern Gene in sich tragen, die bei einer Verpaarung gefährlich werden können, müsste man Stammbäume der Tiere haben. Die hat man bei Zoohandlungstieren nicht. Zudem sollte auch beachtet werden, dass diese Tiere selbst häufig Inzuchttiere sind oder aus privaten Vermehrereien stammen, so dass man, selbst wenn sie gesund aussehen, überhaupt nicht wissen kann, was genetisch in diesen Tieren drinsteckt!
7. Kann man Schwester und Bruder verpaaren?
Nein! Das ist, wie beim Menschen, Inzucht und man riskiert schwere Missbildungen. Das Gerücht, dass Geschwister sich nicht verpaaren würden, ist Unsinn, denn im Gegensatz zu den Menschen kennen die Tiere diese ethische Komponente nicht und nehmen darauf keine Rücksicht. Tiere kennen nur den Instinkt und sonst nichts, deswegen sind Geschwistertiere keine "Verhütungsmethode"!
8. Gibt es Verhütungsmethoden für Meerschweinchen?
Die einzig wirksame Methode ist die Kastration eines Böckchens. Nach der Kastra muss er noch 6 Wochen in Quarantäne sitzen, ansonsten kann er noch zeugungsfähig sein. Erst nach 6 Wochen sind alle Samen abgestorben. Bitte haltet diese Frist ein, ansonsten ist eine Kastra Unsinn, wenn man doch Nachwuchs riskiert.
9. Ich will ja nicht unbedingt Nachwuchs, aber ich will mein Böckchen nicht kastrieren lassen- zu teuer, zu gefährlich,...!
Eine Kastration ist selbstverständlich eine OP, bei der es immer zu einer Komplikation kommen kann, die im schlimmsten Falle auch tödlich enden kann, das ist richtig. Darauf muss ein Tierarzt auch rechtlich gesehen hinweisen. Trotzdem sollte man sich folgendes vor Augen halten: Eine Kastration ist für jeden meerie-erfahrenen Tierarzt ein absoluter Routine-Eingriff. Die Zahl der Kastrationen, bei denen es wirklich ernste Komplikationen gibt, steht in überhaupt keinem Verhältnis zur Zahl der Kastras, bei denen alles reibungslos verläuft. Der Schnitt ist nicht groß, die Technik ist keine komplizierte, und wenn man die Tipps in Sachen Wundheilung beachtet, wird man im absoluten Regelfall keine Probleme haben. Und selbst, wenn da Risiko natürlich nicht 100% wegzureden ist: Die Risiken, die eine Schwangerschaft mit sich bringt, sind deutlichst höher!!!
Natürlich kostet eine Kastration etwas, man sollte zwischen 30-60 Euro kalkulieren. Man kann das den Tierarzt auch vorher fragen und, wenn einem das zuviel vorkommt, auch woanders fragen. Auch das Kostenargument sollte kein Argument sein: Eine Schwangerschaft ist alles in allem deutlich teurer!!
10. Ist es richtig, dass Nachwuchs teuer werden kann?
Absolut, und über den Kostenfaktor sollte man sich vorher Gedanken machen. Gerade, wenn man absolut keine Ahnung nach Nachwuchs und Geburt hat, sollte man das Tier einem meerieerfahrenen Tierarzt während der Schwangerschaft vorstellen. Wenn das Tier schon zu alt ist oder andere Probleme zu erwarten sind, wird man um mehrmalige Arzttermine nicht herumkommen. Wenn im schlimmsten Fall ein Kaiserschnitt notwendig ist, kann man alleine für diesen schon ab 200 Euro aufwärts einkalkulieren. Wenn einem erst in dieser Situation klar wird, dass man dieses Geld nicht hat, handelt man extrem verantwortungslos. Falls die Mutter die Geburt nicht überlebt, und das kommt leider so selten nicht vor, muss man die Kleinen oft mit Katzenaufzuchtsmilch großziehen. Zudem sind bei mutterlosen Tieren auch öfter Infekte, Krankheiten allgemein usw. erwarten, und wenn die Tiere der ärztlichen Hilfe bedürfen, darf man diese nicht aus Kostengründen verweigern, ansonsten macht man sich strafbar. Bedenken sollte man auch, dass gerade kleine Böcke oft nur als Kastraten zu vermitteln sind, und wer dann vielleicht das Pech hat, 8 kleine Böcke kastrieren lassen zu müssen, kann dafür etwa 300 Euro oder gar mehr auf den Tisch legen.
Zudem steigt mit der Vergrößerung der Gruppe auch der Platzvbedarf. Man kann in einem Gehege, was für 2 oder 3 Tiere vielleicht super ist, keine 6 oder gar mehr Tiere halten. Hier wird man anbauen müssen, und auch das wird Geld kosten.
Also: Wer nicht sicher sagen kann, dass er für den Fall der Fälle 200 Euro für einen Kaiserschnitt übrig hat und auch nicht das Geld hat, die Böcke kastrieren zu lassen, sollte neben den vielen anderen Argumenten, die gegen Nachwuchs sprechen, schon alleine aus diesem Grund die Finger davon lassen!
11. Ich weiß, dass es viele Babys gibt, die keiner mehr haben will, aber ich will meine behalten oder ich habe schon Abnehmer dafür oder ich gebe sie halt in die Zoohandlung ab! Ist das ok?
Es ist in meinen Augen nicht ok. Selbst wenn man sagt, dass man seine Babys behalten will oder Abnehmer hat und diese damit nicht im Tierheim landen: Man hätte diesen Platz auch einem Meerie geben können, welches bereits auf einer Notstation sitzt. In letzter Konsequenz hat man den Tieren, die schon im Tierheim sind, damit einen Platz weggenommen. Zudem sollte man auf Zusagen der Nachbarn, der Freunde der Kinder usw nicht soooo viel geben. Was macht man, wenn die hinterher doch nicht wollen, wenn die Jungtiere äußerlich vielleicht nicht gefallen, wenn die ein Weibchen wollten und keine Weibchen dabei sind? Man sollte immer das Risiko einkalkulieren, dass man hinterher auf dem Nachwuchs sitzenbleibt, ihn aber selbst nicht behalten kann. Eine Abgabe in die Zoohandlung ist keine verantwortungsvolle Handlung, denn hier gibt man das Wohl des Tieres völlig aus der Hand. Oft werden die Tiere in Zoohandlungen so gehalten, wie man seine eigenen Tiere keinesfalls halten würde, oft geraten diese auch an schlechte Halter, die mal eben im Zooladen ein süßes Meerie sehen und haben wollen und im Endeffekt landet das Tier doch im Tierheim. Zudem sollte man keinesfalls vertrauen, dass man die Jungtiere mit Annoncen à la "verschenke Meerschweinchen" loswird. Man weiß nicht, ob sich jemand meldet, man weiß auch nicht, wer sich da meldet, und gerade solche Annoncen locken Reptilienhalter, die euer Jungtier an Schlangen verfüttern.
12. Ich weiß, dass es vernünftiger wäre, ein Meerie aus der Notstation zu nehmen, aber ich will einfach kleine süße Babys haben!
Zum einen sind sehr viele Notstationen froh, wenn man ihnen die Babys dort abnimmt, es besteht also kein Grund selbst aktiv zu werden. Zum anderen sollte man beachten, dass kleine Meerschweinchen selbstverständlich sehr süß sind, dass aber auch diese ganz schnell groß werden und nicht mehr babymäßig aussehen. Wenn die mal 4-5 Monate alt sind, sind die Unterschiede nicht mehr so groß.
13. Was ist der Unterschied zwischen vermehren und züchten?
Unter einem Vermehrer wird jemand verstanden, der einfach Weibchen und Männchen zusammensetzt und auf Nachwuchs hofft, ohne dass er Kenntnisse der Genetik aufweisen kann. Eine Zucht hat immer ein Zuchtziel, und damit man dieses erreichen kann, muss man viel an Wissen haben. Um dieses zu erreichen, muss man sich intensiv mit der Thematik beschäftigen, Bücher erwerben und durcharbeiten, man kann auch eine Züchterprüfung ablegen.
14. Ups, mein Weibchen wurde ungewollt gedeckt. Was nun??
Zum einen möchte ich dazu sagen, dass ich die Geschichten, wie es zu angeblich ungewollten Schwangerschaften gekommen ist, oft haarsträubend finde. Wer sich mit den Risiken einer Schwangerschaft und Geburt befasst hat, muss als verantwortungsvoller Halter eben alles tun, um eine ungewollte Schwangerschaft zu vermeiden. Dazu gehört die Kastration der männlichen Tiere, das Wissen, dass fremde Tiere nicht zu den eigenen gesetzt werden dürfen gemäß dem Motto "ach da passiert nichts", Böckchen müssen frühzeitig von der Mutter getrennt werden (im Schnitt sind diese ab 250 Gramm geschlechtsreif), Kinder dürfen niemals alleine ohne Aufsicht mit den Tieren spielen, und gerade dann nicht, wenn jemand Weibchen und zeugungsfähige Männchen getrennt voneinander hält und die Gefahr besteht, dass die Kids diese zusammmensetzen usw. Wie beim Menschen gilt: 1x kann reichen!
Sollte es aus welchen Gründen auch immer zu einer Schwangerschaft gekommen sein, sollte man über eine Abtreibungsspritze nachdenken. Auch wenn dies auf den ersten Blick sehr hart klingt, ist dies oft eine gute Möglichkeit, um eine Schwangerschaft und eine womöglich sehr komplikationsreiche Geburt zu verhindern. Sinnvoll ist das natürlich nur, wenn dies möglichst schnell nach dem Decken geschieht. Ich habe gerade nochmal gegoogelt, es aber nicht 100% gesichert gefunden, aber meines Wissens nach kann man diese Spritze wirksam bis zu 2 Tagen nach dem Decken setzen. Weitere Infos hat der Tierarzt, und selbstverständlich sollte dies nur ultima ratio sein. Eine Abtreibungsspritze ist keine Verhütungsmethode, sondern kann bestenfalls im schlimmsten Fall noch Schlimmeres verhindern!
15. Was sind jetzt nochmal zusammengefasst die Argumente, die gegen eine Schwangerschaft bei Meerschweinchen sprechen?
- Es gibt in nahezu jedem Tierheim genügend Meeries, auch Babys, die keiner mehr haben wollte und bevor man weitere Tiere in die Welt setzt, die letztendlich auch im TH landen, sollte man erst diese Tiere vermitteln.
- Ohne Wissen über Genetik ist eine Vermehrung verantwortungslos und man riskiert missgebildete Jungtiere und Totgeburten.
- Nach 12 Monaten ist ein Meerie, welches noch keine Jungen hatte, wegen der Symphysenverknöcherung zu alt für Nachwuchs, oftmals weiß man das Alter aber gar nicht 100%.
- Man hat im Regelfall keine Papiere seiner Tiere, damit keinen Stammbaum und kann damit keine genetischen Aussagen über die Jungen treffen.
- Ein Kaiserschnitt endet meistens mit dem Tod der Mutter und kostet zudem noch sehr viel Geld!
- Verwaiste Jungen aufzuziehen ist eine Aufgabe, die den Halter Tag und Nacht fordert! Wer den ganzen Tag lang arbeiten muss oder zur Schule geht, kann das in der Form nicht bzw nicht alleine meistern!
- Nachwuchs kostet Geld, und diese Kosten kann man nicht immer vorher abschätzen! Wer einem Tier die notwendige medizinische Hilfe verweigert, macht sich strafbar, deswegen sollte man, wenn man finanziell knapp dasteht, die Finger von Nachwuchs lassen!
- Kein weibliches Meerie leidet, weil es nicht Mama wird, das ist keine Denkweise von Tieren!!!