Meerschweinchen Vergesellschaftung

Warum einen Kastraten?

Tipps und Hilfe rund ums Vergesellschaften von Meerschweinchen

  • Mal wieder ein beitrag von FB von einer Züchterin:


    Warum einen Kastraten?


    Mir brennt ein Meerschweinchenthema schon seit langem unter den Nägeln, daher versuche ich jetzt mal meine Gedanken zu ordnen und einen informativen Text zu verfassen: Er geht um die Haltung von Haremsgruppen bzw. Pärchen aus Kastrat und Mädel. Warum bevorzugen viele diese Haltung und warum kann man manche Menschen partout nicht überzeugen ihren Meerschweinchen-Damen einen „Mann im Haus“ (ich meinen damit natürlich einen Kastraten) zu gönnen?


    Zuerst möchte ich gedanklich nach Südamerika schweifen und gleichzeitig über den Begriff der „artgerechten Haltung“ nachdenken. Was bedeutet „artgerecht“. Bei Wikipedia finde man folgendes: „Artgerechte Haltung bezeichnet eine Form der Tierhaltung, die sich an den natürlichen Lebensbedingungen der Tiere orientiert und insbesondere auf die angeborenen Verhaltensweisen der Tiere Rücksicht nimmt.“ Was bedeutet das für unsere Meerschweinchenhaltung?
    In Südamerika leben Meerschweinchen in Familien, bestehend aus einem adulten Bock zusammen mit mehreren Weibchen, zusammen. Die Weibchen werden alle 14-18 Tage brünstig, d.h. empfängnisbereit und gedeckt. Ja, Meerschweinchenmänner haben immer viel zu tun ?. Meerschweinchen in freier Wildbahn produzieren also permanent Nachwuchs, denn dies ist ihre einzige Möglichkeit der Arterhaltung, da sie ansonsten keine Abwehrmöglichkeiten von Fressfeinden haben.


    Was haben diese Informationen denn nun mit meiner Meeri-Wohnzimmer-Crew zu tun, werden sich jetzt vielleicht einige fragen. Eine ganze Menge, denn daran hat sich auch nach langer Domestizierung nichts geändert. Ich will darauf hinaus, dass Meerschweinchenweibchen ab ca. ihrer sechstens Lebenswoche einem permanenten und rasanten Hormonkarusell ausgesetzt sind. Sie lechzen in Phasen der Hochbrunst nach einem Bock und rammeln in Ermangelung etwas geeigneteren selber jede, die ihnen vor die Nase kommt. Sie halten damit die gesamte Herde in Aufruhr und wenn die erste Dame damit fertig ist, fängt die nächste an. Ein Kastrat, also kastriertes und damit unfruchtbares Männchen, widmet sich im Normalfall mit Hingabe diesen Damen. Sie werden mehrere Male gedeckt und dann wird ausgiebig geputzt. Es herrscht Ruhe im Karton, pardon Gehege. Andere Anwesende werden nicht belästig, der Hormonhaushalt beruhig ist und alle Beteiligten sind hochzufrieden. Hat „Schwein“ doch wieder einmal der Natur und Arterhaltung genüge getan!
    Außerdem können die Kastrate noch mehr als nur *piep*! Sie können mit großem Erfolg Streit schlichten und die Harmonie innerhalb der Herde erhalten. Das klingt ein bisschen fantastisch, aber wer schon einmal erlebt hat wie sich ein Bock (Kastrat) zur vollen Größe aufgerichtet, die Breitseite präsentierend zwischen zwei zähneklappernde Weiber gestellt hat und staunend zugesehen hat, wie die Damenwelt sich kampflos ergibt und beginnt friedlich nebeneinander ins Gras zu beissen, also zu futtern, der wird mir Recht geben. Die Buben sind immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort und einfach nicht wegzudenken aus einer Gruppe.


    Warum sträuben sich denn dann viele Meerschweinchenhalter vor der Anschaffung eines Kastrates? Sind es wirklich die Anschaffungskosten in Höhe von ca. 50-75€? Die hat man leicht wieder drin, wenn man zweimal verzichtet im Restaurant zu essen oder die elfte Handtasche eben nicht kauft. Ist es das veraltete Märchen, das Männchen stinken? Männchen haben eine Art Tasche am After, die Perenealtasche. Diese wird ausgestülpt für Markierungsarbeiten im Revier. Das allein macht ansich keinen Gestank, aber wenn sich in dieser Tasche einiges an Schutz ansammelt, kann es müffeln. Normalerweise machen die Jungs selbstständig Unterbodenwäsche, aber es gibt manche Kandidaten, die zu faul sind oder das Alter sie zu unbeweglich macht. Dann ist es aber ein leichtes einmal im Monat vorsichtig nachzuhelfen.


    Es gibt ziemlich genau ebensoviele Meerschweinchenjungs wie –mädels auf dieser Welt. Da die Buben es sowieso schon durch den empfohlenen und auch wichtigen Mädelsüberschuß in den Herden schwer haben unterzukommen, sollte man wenigstens einem ein schönes Herdenleben bieten!
    Abschließend möchte ich sagen, dass dieses natürlich nur meine eigene Überzeugung wiederspiegelt. Ich persönlich gebe keine Tiere in reine Mädchengruppen, aus dem oben genannten Gründen, ab. Es muss aber noch erwähnt werden, dass es auch durchaus Kerle gibt, die ihren Job nicht so mustergültig, wie beschrieben versehen. Das ist, wie so vieles, auch Charaktersache und Sozialisation. Aber selbst, wenn der Kastrat nicht mehr zuverlässig deckt, weil er vielleicht nicht mehr der Jüngste ist, wird er durch seinen Charme nicht mehr wegzudenken sein.


    Auch hier mein Ratschlag: Wendet Euch bei der Suche nach dem „Mister Right“ für eure Herde an einen seriösen Züchter oder Notstation. Beschreibt genau, was ihr sucht, was ihr erwartet von dem Bub und was ihr bietet. Nur dann kann euch der bestmögliche „Prince Charming“ für eure Herde angeboten werden.
    Und bitte: Vergesst den Satz: „Ich habe aber schon immer nur Mädchen“ Dann ist es dringend an der Zeit etwas neues auszuprobieren!


    Viele Grüße Julia (https://www.facebook.com/Roset…SpHM4x&__tn__=-UC%2CP-y-R)

  • Guter und völlig richtiger Beitrag, gerade in Anbetracht des massiven Bocküberschusses wäre es für mich völlig undenkbar kein Kastrat in der Gruppe zu halten. Charakter ist sowieso individuell, man kann die grössten Schätzchen sowohl bei Männchen als auch bei Weibchen finden. Ob Kastraten immer so Hormonregulierend wirken sei dahingestellt, einer der seinen Job erledigt sicherlich, ich höre aber von vielen faulen Kastraten ehrlich gesagt 😅


    Ich vermute, die reinen Weibchengruppen stammen noch aus der Zeit bzw. Haltung anderer Tierarten, wo Kastration kaum möglich ist oder abgelehnt wird (darüber haben wir ja auch schon ausführlich diskutiert). Ohne genaueres zu wissen aber z.B. bei Degus werden wohl fast nur reine Weibchen/Männchengruppen gehalten da die Kastration wohl kaum machbar ist. Im Hirn der Menschen speichert sich dann Nager = nicht kastrierbar, vermehrungsfreudig = nur gleichgeschlechtliche Haltung. Über die schwachsinnige Kastrationsdiskussion bei anderen Tierarten brauchen wir ja eh nicht mehr reden, mir völlig unverständlich wie man als tierliebender Mensch so denken kann. ("Ich nehme der armen Katze die Möglichkeit Mami zu werden doch nicht weg!").

  • Den Beitrag hatte ich auch gelesen auf dem Heimweg, extrem zutreffend.


    Einen Kastraten möchte ich in meiner Gruppe nie wieder missen müssen, besonders einen solchen wundervollen Zickenbändiger wie mein Spock. Der ist unter Männern aufgewachsen und hat seine Damen trotzdem richtig gut im Griff.


    Wir haben schon einige Schweinchen auch selber kastrieren lassen, Früh und Spätkastraten. Würden es immer wieder so machen, eben weil die Jungs dann auch unter Frauen ein schönes Leben haben können ;)

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