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Meerschweinchen-Haltung in anderen Ländern

Allgemeine Themen rund um Meerschweinchen, die in keine andere Kategorie passen.

  • Hallo zusammen,


    rein aus Interesse habe ich mal etwas in englischsprachigen Meerschweinchen-Foren gestöbert. Mein Ziel war die eine oder andere Inspiration für Haltung, Fütterung und Pflege zu bekommen, die im deutschsprachigen Raum vielleicht noch nicht so bekannt ist. Und Bilder von anderen Gehegen anschauen finde ich sowieso ziemlich spannend ^^


    Bisher bin ich grandios gescheitert und eher verwundert über die Tipps, die ich bisher gelesen habe. Das ging von "Schweinchen zwar nicht regelmäßig baden, aber ein paar mal im Jahr ist schon nötig" über "Mindestmaß des Stalls für ein allein lebendes Schwein ist 60x120cm" bis zu "wenn ein Schwein stirbt und das andere alleine ist, dann lass es irgendwo ins Haus ziehen, wo viel Trubel ist".

    Die drei Beispiele sind aus den Ratgebern aus diesem Forum: https://www.theguineapigforum.co.uk/#guinea-pig-care.3


    Ist das, was zumindest im deutschsprachigen Raum in großen Foren (nicht in Kinderzimmern und Zoohandlungen!) vermittelt wird tatsächlich so unterschiedlich zu Foren anderer Länder? Habt ihr einen Tipp für ein (englischsprachiges) Forum, in dem man sich interessiert umschauen kann?


    Keine Sorge, ich werde meine Schweinchen nun ganz sicher nicht baden oder ähnliches. Ich freue mich nur auf regen Austausch und vielleicht neue Inspirationsquellen mit hier nicht so bekannten Haltungsformen. Die typischen deutschsprachigen Websites kenne und schätze ich.


    Viele Grüße

    Moku

  • Wir haben ein anderes Verhältnis zu Tieren, schon aus jahrhundertealter Tradition. Bis vor 150 Jahren hatten viele Menschen noch den Kuhstall direkt im Haus - das heizt nebenbei auch das Haus, Kühe machen gut Wärme. Das war in anderen Ländern nicht so üblich, dort hatte man in aller Regel eher Abstand zwischen Haus und Stall.


    Entsprechend haben sich andere Kulturen entwickelt. Auch viel durch Medien vermittelt, Amerikaner haben etwa eine ziemliche Neurose wegen eventuellen Keimen, und richten daher ihre Meerschweinchengehege komplett mit desinfizierbarem Plastik ein, haben Fleecehaltung statt Einstreu und desinfizieren quasi dauernd inkl. Baden der Tiere.


    Durch die gemeinsame Sprachbasis kann das natürlich auch gut nach GB schwappen. Es gibt aber wenigstens viele, die vernünftige Gruppen halten und sich da gut kümmern. Allerdings ist Tierhaltung in vielen Gebieten auch echt teuer, weil Gemüse sehr teuer ist und auch Heu gar nicht so günstig.


    Was etwa Keime angeht, sind wir hier total tiefenentspannt, eben weil in unserer Tradition enges Leben mit Tieren normal ist. Sogar in der Industrialisierung war es durchaus gewollt, dass auch Menschen in Städten ein paar Stallhasen vermehr haben, um ihren Speisezettel ein wenig aufzupolieren. Das ist einfach eine andere Tradition der Nähe zu Tieren, ein natürlicheres Verhältnis.


    Aber ehrlich, in anderen Ländern ist es anders. Meine amerikanischen Verwandten finden es etwa total normal, ihren Hund 11-12 Stunden am Tag in einen kleinen Zwinger zu sperren, und wenn sie abends zu müde zum Gassi gehen sind (dafür muss man in einen Park oder in die Natur fahren, normale Fußwege gibt es kaum, das ist also aufwendig) binden sie den Hund ne halbe Stunde aufs Laufband. Wäre bei uns völlig unvorstellbar, wenn ein Hund den halben Tag den Backyard vollkackt hätten wir den Tierschutz da. Bellen ist dagegen eher weniger ein Problem, Tierärzte durchtrennen häufig bei der Kastration auch die Stimmbänder von Hunden. Katzen werden die Krallen entfernt, damit sie nichts kaputt machen können. Bei Tieren steht da einfach nur das Vergnügen der Halter im Mittelpunkt, sie werden durchaus geliebt, aber wirklich was für die Tiere tun ist nicht bei allen gegeben.

  • Fleecehaltung war ja lange Zeit hier nicht verbreitet, man setzte auf Einstreu, Stroh oder was auch immer.

    Fleece galt als unnatürlich, in den USA und in andern Ländern wurden die Tiere aber oft so gehalten. Mittlerweile gibt es auch hier mehr und mehr überzeugte Fleecehalter/-innen oder solche, die eine Halb-Halb-Haltung haben und die ihr Gehege zumeist auch mit nagerfreundlichen Materialien versehen - so weit, so gut.


    Zum Thema Fleecehaltung habe ich vor etwa acht Jahren ein absolut abschreckendes Video zum Thema Käfig/Reinigung gesehen. Mir wurde damals ganz anders, als ich die Putzaktion verfolgt habe.

    Das Video ist noch immer verfügbar, wer mag, kann es sich anschauen:


    Was mir besonders an dieser Art Haltung missfällt, ist die ganze Plastikwelt, also nicht nur Fleece, sondern auch Plastikhäuschen (beliebt ist eine Art Iglu aus Plastik) und sonstiges Kunststoffmaterial. Heu wurde/wird offenbar nur in homöopathischen Dosen angeboten. Entweder man wusste nicht, dass Heu wichtig ist, konnte es sich nicht vorstellen, oder es wurde befürchtet, durchs Heu könnte Ungeziefer eingeschleppt werden.


    Wie sich Meerschweinchen in einem solch sterilen Umfeld fühlen - nun, wir können sie nicht fragen, vermutlich würden sie aber ein naturnahes Gehege mit unterschiedlichen Materialien, das ihren Bedürfnissen entgegenkommt, mehr schätzen als eine ständig mit chemischen Mitteln gereinigte Umgebung.

  • plastik gibt es ja leider immer noch reichlich. Letztes Jahr hatte die Tochter einer Kollegin einen Hamster bekommen und sie wollte für ihn so einen plastiklaufball kaufen. Sie dachte das es toll wäre , hamster brauchen ja auch viel Bewegung und mit dem Ball ginge das ja. Ich habe ihr davon abgeraten... sie haben zum Glück dann auch keinen Ball gekauft. Und die ganzen pladtikverbindungen und Röhren in den hamsterkäfigen hier in Deutschland sind ja auch nicht toll. Und die Dame im Video hatte wenigstens 2 aufgeweckte Schweinchen. Ich käme aber nie auf die Idee so mein gehege zu reinigen oder desinfizieren.

  • Mir ist das auch schon aufgefallen, auch mit dem "Paperbedding". Dafür muss man ihnen zugute halten, dass sie (zumindest von was ich gesehen habe) als erstes diese C&C Cages verwendet haben, also die beliebig erweiterbaren Steckgehege, was m.E. massiv tierfreundlicher ist als die bei uns erhältlichen Gitterkäfige mit Plastikwannen.


    Die sterile Haltung mit bunt lackierten/Plastikhäuschen gefällt mir auch nicht besonders. Am schönsten finde ich die herkömmliche Streuhaltung mit natürlichen Unterschlüpfen wie Korkröhren etc., obwohl ich selber auch Fleece habe.

  • Vielen lieben Dank für die Antworten!

    Mit war vorher nicht klar, dass wir hier einfach ein anderes Verhältnis zu Tieren haben als in vielen anderen Regionen der Welt. Ich bin auf dem Land aufgewachsen, zwischen einigen Bauernhöfen und vielen Tieren. Da wäre mit tatsächlich nie in den Sinn gekommen, dass in einigen anderen Kulturen die Angst vor von Tieren ausgehenden Keimen so groß/normal ist. Verrückt.

  • Ich wohne in GB und habe jetzt auch seit kurzem wieder Fellnasen.


    Fleece, Plastikhaeuser und C&C cages sind hier sehr populaer, leider findet man fast keine Alternativen. Selbst Holzhaeuser usw sind oft viel zu klein und haben nur einen Eingang. Ich habe auch mal auf britischen Foren nach Inspiration fuer meinen Eigenbau gesucht, aber da waren fast nur C&C Bauten oder Kaefige aus dem Handel. Was mir hier in GB auch auffaellt ist dass es oft nur Bockgruppen gibt, und die meisten Ratschlaege fuer Bockgruppen auch komplett entgegengesetzt zu den Empfehlungen hier im Forum.

    Kann gut sein, dass vieles davon aus den USA hier rueberschwappt, obwohl ich finde dass es hier schon ein bisschen fortgeschrittener ist als in den USA. Ich kenne zwar hier niemanden, der auch Meerschweinchen hat, aber was ich bisher so auf Foren etc gelesen habe, sind viele Halter tatsaechlich am Wohl ihrer Tiere interessiert, und versuchen auch es so schweinchenfreundlich wie moeglich zu machen, auch wenn das aus deutscher Sicht vielleicht verbesserungswuerdig ist.

    Die Auswahl und Verfuegbarkeit von hochwertigem Einstreu ist hier nicht ganz so vorteilhaft (bzw kann schnell sehr teuer werden), dazu kommt es dass britische Wohnungen und Haeuser oft sehr klein sind, und es bei Wohnungen praktisch keine legale Moeglichkeit gibt, Einstreu zu entsorgen (ausser es auf die Deponie bringen, ohne Auto unmoeglich) - daher denke ich dass viele da lieber auf Fleece umsteigen weil es weniger kompliziert ist.


    Ich habe schon in mehreren Laendern gelebt und in drei davon auch Meerschweinchen gehalten, allerdings immer so gut es geht nach deutschem Vorbild; das finde ich am tierfreundlichsten.

  • Ich habe gestern durch Zufall ein Video von einer Amerikanerin gesehen, die auch fest davon überzeugt war dass Meerschweinchen regelmäßig gebadet werden mussen. Und dass sie sich nicht wehren zeigt dass es ihnen gefällt und zur Entspannung bekommen sie auch Massagen... Da bleibt mir fast die Spucke weg. Ich habe in den Kommentaren nur knapp 4 Leute gefunden, die ebenfalls wie ich geschrieben haben dass das absoluter Mist ist. Da hab ich schon kurz gezweifelt...

  • Si ganz klar sind mir die Gründe einiger Unterschiede doch noch nicht..

    Hier ein Zitat aus dem im Eingangspost verlinkten Forum (aus dem Ratgeber-Teil):

    Zitat

    The daily amount of veg is about 30-50g / 1-1/2 ounces per guinea pig. If you want to rather measure by volume, it comes to about 1 cup full of veg.


    Recommendations of how much veg to feed are trending down, not up!

    (Aus Abschnitt 3 von hier: https://www.theguineapigforum.…-guinea-pig-diets.116460/)


    Ich unterstelle dem Post jetzt mal, dass die nach unserem Verständnis sehr, sehr klein bemessene Gemüsemenge nicht in den Kosten begründet liegt. Davor wird nämlich deutlich auf die Wichtigkeit von immer verfügbaren hochwertigem Heu aufmerksam gemacht.

    Leider finde ich im Post keine Begründung warum der Autor des Ratgebers glaubt, dass die Gemüsemenge so gut ist und nicht z.B. 300g Gemüse pro Schwein und Tag geraten wird.


    Hat hier jemand eine Idee?

    Mir geht es um das Verständnis - ich will hier nicht pauschal jede britische oder amerikanische Meerschweinchen-Haltung verurteilen.

  • Auf irgend einer US-Seite habe ich auch mal gelesen, dass sie zu äusserster Vorsicht bei Stangensellerie raten wegen den Fasern. Daran könnten sie sich verschlucken. (?!).


    Diese Minimengen habe ich aber auch schon in deutschsprachigen Ratgebern oder auf Züchterseiten gesehen. Das sah dann etwa so aus: 2 Blätter Salat, 1/4 Karotte, 2 Scheiben Gurke und 2-3 Blättchen Löwenzahn. Das kommt doch nie und nimmer auf 300g, eventuell knapp auf 100g??

  • Vielleicht noch eine Idee zu den geringen Fruschfuttermengen. Das kann man trotz Empfehlungen ja auch hier in Deutschland immer wieder feststellen und ich auch erst kürzlich im Bekanntenkreis.

    Viele haben aufgrund falscher Fütterung, zu viel neues auf einmal, zu durcheinander... einmal erlebt dass die Tiere Matschkot bekommen. Viele TÄ empfehlen dann immer noch die Heudiät. Wenn das zur Besserung geführt hat und mit Trockenfutter und Heu kein Durchfall mehr da ist, dann denken die Leute, dass es schädlich ist Frischfutter in größeren Mengen zu verfüttern.

  • Noch dazu ist Gemüse im Ausland teilweise anders haltbar gemacht im Handel, etwa mit Wachs überzogen oder anderweitig behandelt. Das könnte auch Probleme verursachen. Und die Kombi von viel Gemüse und Trockenfutter ist für die Verdauung noch schwieriger.