Bowie war klein und schwarz und flauschig. Er hatte dunkle Knopfaugen und das wohl freundlichste Gemüt, dass ich je bei einem Meerschweinchen erlebt habe.
Als er starb, war er gerade mal 3 ½ Jahre alt. Bei mir verbrachte er nur die letzte Woche seines Lebens.
Als ich an diesem Morgen aufstand, merkte ich sofort dass etwas nicht stimmte. Traurigen Blickes umarmte mich meine Mutter.
„Wer?“ Fragte ich. Sie hatte gar nichts sagen müssen, ich wusste schon vorher dass eine meiner Kleinen von uns gegangen war.
„Kiku.“ Kiku war gestorben. Sie hatte gerade ihr 5. Lebensjahr erreicht und hatte eigentlich ihr ganzes Leben bei ihrer Ziehschwester „Prinzessin Riku“ verbracht.
Noch am selben Tag beerdigten wir sie unter Tränen bei uns im Garten.
Doch wir mussten schnell handeln. Prinzessin Riku war nun allein. Lange konnten wir es nicht so lassen.
Erst nach einer Woche fand ich ein Licht am Ende des endlosen Tunnels aus Tierheimen und Auffangstationen. Wir hatten nach einem älteren Tier gefragt. Ein Kastriertes Männchen. Möglichst 3-4 Jahre alt, hatten dafür aber Antworten erhalten, die uns das Gruseln lehrten:
Ich: Wie alt sind ihre Böckchen denn?
Frau: Ein Jahr, circa.
Ich: Oh, das ist schlecht, wir suchen ein Älteres.
Frau: Das sind eh Inzuchttiere, die werden sowieso nicht so alt.
Geschockt verabschiedete ich mich.
An diesem Abend stieß ich allerdings auf die Anzeige einer Züchterin aus Nürnberg, die mir auch gleich einen 3 ½ Jährigen, sehr schüchternen Bock vorstellte. Meinen Bowie.
Wir vereinbarten einen Termin mit ihr, holten den Kleinen in der 100 Km entfernten Stadt ab. Er machte keinen schlechten Eindruck, auch sie nicht.
Bei ihm handelte es sich um einen Angora-Rosetten-Mix. Sein Fell war unglaublich flauschig und voluminös. Als ich ihn allerdings auf dem Arm nahm, bemerkte ich, wie wenig er eigentlich wog, wie stark seine kleinen Knöchlein hervorstanden.
Das wäre normal bei ihm sagte sie. Er wäre schon immer so dünn gewesen. Außerdem habe eine befreundete Tierärztin einen Rundumcheck bei ihm vorgenommen. Zum Beweis seiner Gesundheit gab sie ihm eine Tomate, welche er sogleich zu fressen begann.
Schon auf dem Heimweg wurde mir ein wenig mulmig. Plötzlich lag er nur noch herum, rührte sich kaum noch, sein Bäuchlein gurgelte hörbar.
Zuhause dann der Schock: Ein riesiger Abszess befand sich direkt oberhalb seines rechten Hinterbeines.
Da es Samstag war, wählten wir die Notfallnummer unseres Tierarztes. Der Taubenein-große Abszess wurde geöffnet.
Zusätzlich bekam Bowie eine Vitamin E – Spritze um seinen Appetit anzukurbeln. An Vergesellschaftung war nicht mehr zu denken, dafür war der kleine Mann zu schwach.
Doch Bowie fraß einfach nicht. An diesem Abend köttelte er das letzte Mal.
Wir suchten den Tierarzt nun täglich auf. An Tag 3 gab man uns Critical-Care. Noch nie hatten wir Zwangsgefüttert, allerdings klappte es ganz gut.
Bowies Zustand wurde wider aller Erwartungen immer schlechter. Er hatte Gas im Bauch, wie eine Röntgenaufnahme zeigte, schmerzen. Herz und Kreislauf begannen langsam zu versagen. Die Tierärztin war außer sich. Man hatte uns ein Todkrankes Tier verkauft.
Am Freitagabend setzten wir auf Geheiß der Ärztin die beiden doch noch zusammen. Keiner von uns traute seinen Augen. Die zickige, dominante und angriffslustige Riku kuschelte mit dem kleinen Patienten, der mittlerweile zu schwach war sein eigenes Köpfchen zu halten. Sie kümmerte sich regelrecht um ihn, versuchte ihn dazu zu bringen doch etwas zu fressen.
Um 23:00 Uhr wollte ich ihn das letzte Mal füttern. Hierbei starb Bowie in meinen Armen. Er zuckte ein paar Mal und sackte dann zusammen.
Noch immer habe ich Albträume davon, wie er in meinem Arm liegt und ich ihn nicht retten kann.
Und auch wenn ich ihn nur eine Woche kannte, vermisse ich ihn so sehr dass es mir das Herz zerbricht, wenn ich an ihn und diese schreckliche Frau denke.
Vielleicht war es Schicksal, vielleicht kam Bowie zu und um bei uns in guten Händen dahin zu scheiden. Gerne hätte ich ihm geholfen, ihn mit der anderen Kleinen durch den Garten tollen sehen.
Jetzt tollt er auf der anderen Seite, mit Kiku und allen anderen kleinen Meeries, hat keine Schmerzen mehr und hat endlich das Glück, dass er immer verdient hatte.
Ich bereue nicht ihn gekauft zu haben, ich bereue keinen einzigen Moment mit ihm. Alles was ich bereue ist diese schreckliche Person mit meinem Geld unterstützt zu haben, doch auch sie wird ihre gerechte Strafe für diese Tortur bekommen.
Unsere Tierärztin hat es uns bestätigt. Er muss schon seit Wochen gelitten haben. Sie versprach das Nürnberger Veterinäramt einzuschalten. Womöglich droht ihr jetzt eine berechtigte Anzeige wegen Tierquälerei.