Nach Teddys Tod sollte für die so plötzlich vereinsamte Clarissa ein neuer Gefährte her.
Wir haben die Zeit abgewartet, bis sich die trauernde Clarissa wieder in der Verfassung sah,
für eine neue Partnerschaft offen zu sein. Dazu musste sie ihre Trauer um den Bruder
erst in aller Ruhe überwinden dürfen. Ein jedes braucht eben seine Zeit.
Es stand für uns fest, dass wir einem Tierheimschweinchen ein neues Zuhause bieten wollen.
Dazu sind wir mit Clarissa zur Tierpension Lämmerhirt gefahren, wo noch von einer völlig aus dem
Ruder gelaufenen Haltung mehrere Meeris auf Vermittlung warten.
Clarissa sollte das entscheidende Mitspracherecht haben, auf wen letztendlich die Wahl fällt.
Ein noch namenloses Schweinchen, etwa im gleichen Alter, schneeweiß mit roten Äuglein wurde uns
ins Kistchen gesetzt und dann beobachteten wir gespannt, wie unsere Clari darauf reagiert.
Die Reaktion kam prompt: Sie bemerkte sofort die Neue, machte sich gaaaanz lang, schnupperte sie
interessiert an und sprang dann mit einem entschlossenen Satz ins Kästchen zu ihr rüber.
Clarissa wühlte erleichtert ihre kleine Schnauze ins weiße Meerschweinfell. Da ist ja endlich
wieder ein Artgenosse neben mir und friedlich scheint das auch zu werden - ob Männlein oder
Weiblein war ihr scheinbar ganz egal.
Clarissa setzte sich in die Demo-Positur und guckte herausfordernd zu uns rüber: Na los, die Weiße nehmen
wir doch bestimmt gleich mit!
Daheim wollten wir die beiden nach allen Regeln der Kunst vergesellschaften, aber das erwies
sich als äußerst schwierig. Das neue Schweinchen blieb völlig ängstlich in dem kleinen
Kästchen hocken und getraute sich kaum, noch geradeaus zu gucken. An ein gemeinsames
Gewusel im Auslauf war überhaupt nicht zu denken. Ein kleineres Terrain war dringlich
für die beiden angesagt.
Clarissa, die sich nach Gesellschaft gesehnt hatte, reagierte auch dort nicht feindlich und das leckere
Futter, das beide bekamen, schaffte etwas Ruhe und Gelassenheit für den Augenblick.
Aber nur für den Augenblick. Die kleine Neue bekam einen Namen von uns, wir nannten sie Netty.
Allerdings musste Clarissa lernen, dass bei Netty im neuen Zuhause die Ängste die Oberhand behielten.
Sie konnte noch so langsam und vorsichtig herankommen, ihr ganz friedfertige Absichten anzeigen;
Netty gab augenblicklich voller Panik Fersengeld, sodass Clarissa bloß erschrocken hinterher guckte und
die Welt nicht mehr verstand. Clari hat ja in ihrem ganzen Leben noch niemals Angst gehabt.
Nettys Erfahrungen stammen aus engen Kisten und Kartons mit viel zu vielen Artgenossen eingepfercht
und immerzu in tausend Ängsten lebend den Fluchtreflex als wichtigste Überlebensstrategie pflegen zu
müssen.
Es waren eine Menge vertrauensfördernde Schritte notwendig, ehe es uns glückte, Netty von unseren
guten Absichten zu überzeugen. Dazwischen lag eine Zeit, in der sie vom Stress der Vergesellschaftung
einen hässlichen Durchfall hatte. Clarissa hielt sich zurück, sie legte sich in kurzer Entfernung zu ihr
nieder und mied es, frontal auf Netty zuzulaufen. Der Sichtkontakt war ihr aber sehr wichtig.
Als Leitschwein trat sie wieder in Aktion, Netty brauchte ganz offensichtlich ihren Beistand.
Sie zeigte ihr Haus, Heu, Futter, dann ging sie geduldig zur Seite und bedrängte sie nicht mehr.
...und so sehen derzeit unsere Erfolge aus. Clarissa und Netty sind auf dem besten Weg jetzt
und es ist klar, dass Netty bleibt. Den Durchfall haben wir mit nachlassendem Stress im Griff
und Clarissa ist wieder unsere fröhliche Chefin, die Netty bemuttert. Statt Teddy hat sie jetzt Netty
und es kann dadurch diese kleine Nette endlich auch mal an ein schönes Meerschweinleben denken und
Vertrauen zu Mensch und Artgenossen fassen. Ich denke, wir schaffen das ganz bestimmt.
Das ist die Geschichte unserer Vergesellschaftung und sie offenbart deutlich, wie sehr die Tiere
leiden, wenn sie in schlechter Haltung leben müssen.
Netty jedenfalls kann das nun getrost als Vergangenes hinter sich zurück lassen.
Cordula
mit Clarissa und Netty