Skinnys sind keine Qualzucht!
Skinny Pigs – Nacktmeerschweinchen, die nicht nackt sind!
in Meerschweinchen GenetikSkinny Pigs waren in Deutschland bis vor wenigen Jahren noch weitgehend unbekannt und für Liebhaber-Halter kaum zu bekommen. Nach wie vor ist die Rasse hierzulande relativ selten, doch ihre Fan-Gemeinde wächst stetig. Sie bestechen durch ihr ungewöhnliches Aussehen, ihr quirliges Wesen und ihre für Meerschweinchen überdurchschnittliche Zutraulichkeit.
Auf der anderen Seite existieren aber auch zahlreiche Vorbehalte und Vorurteile gegenüber den nackten Kanadiern, welche man immer wieder liest oder hört. So hält sich etwa hartnäckig das Gerücht, sie seien im Tierschutzgesetz diverser Länder als Qualzucht aufgeführt, besonders anfällig für Krankheiten und Verletzungen.
Bei näherer Betrachtung erweisen sich diese Bedenken jedoch als haltlos. Beachtet man ein paar wenige Punkte, steht einer Haltung von Skinny Pigs nichts im Weg und die Tiere können ein genauso langes, gesundes und zufriedenes Leben führen wie ihre behaarten Artgenossen.
Im folgenden Artikel möchte ich über die liebenswerten Nackten, welche in Wahrheit eben nicht nackt sind, informieren.
Herkunft und Entstehung von Skinny Pigs
Bei Skinny Pigs handelt es sich um eine relativ junge Meerschweinchenrasse: Das erste dokumentierte Skinny wurde 1978 im Montreal’s Armand Frappier Institute, einem kanadischen Forschungslabor, geboren. Anders als es ihr ungewöhnliches Aussehen vermuten lässt, entstanden die fast nackten Tiere nicht durch künstliche Gen-Experimente, sondern durch eine spontane Mutation.
Immer wieder gab es im Montreal’s Armand Frappier Institute in der Folgezeit Würfe, die ein oder mehrere Skinny Pigs enthielten. Eine gezielte Zuchtauslese fand nicht statt.
1982 erfuhr der US-Wissenschaftler Charles River von den ungewöhnlichen Nacktmeerschweinchen aus Kanada und ließ sich einige Tiere zuschicken.
In seinen Charles River Laboratories wurde damit begonnen, gezielt Skinny Pigs für dermatologische Versuche und Studien zu züchten, für welche sie auf Grund ihrer großflächig freiliegenden Haut ideal erschienen. Es zeigte sich jedoch, dass sich das Skinny-Gen nicht dominant vererbte und sich eine Zucht für Laborzwecke daher kaum lohnte: Bei einer Verpaarung zwischen zwei Meerschweinchen, welche das Skinny-Gen in sich tragen (Trägertiere), beträgt die Chance, dass Skinny Pigs geboren werden, lediglich 25 Prozent. Um zu 100 Prozent Skinny Pigs zu erhalten, müssen beide Elterntiere Skinnys sein.
Für Charles Rivers Studien erwies es sich als wesentlich einfacher und produktiver, weiterhin normal behaarten Meerschweinchen gegebenenfalls das Fell abzurasieren, statt gezielt Skinny Pigs zu züchten. Daher wurde die Zucht nach wenigen Monaten eingestellt. Bereits existierende Tiere gelangten aus den Labors zunehmend in die Hände privater Züchter und Liebhaber und erfreuten sich auf dem nordamerikanischen Kontinent schnell wachsender Beliebtheit. Bis sie auch den Weg nach Europa fanden, dauerte es noch einige weitere Jahre. In Deutschland gibt es die Rasse seit 2005.
Herleitung des Namens
Der Name Skinny Pig leitet sich ab vom englischen „skinny“ = schlank, mager und „pig“ = Schwein. Ihren Namen erhielt die Rasse daher, weil Skinnys durch das fehlende Fell etwas schlanker wirken als ihre voll behaarten Artgenossen. Der optische Eindruck täuscht jedoch: Die „mageren Schweine“ erreichen ein durchschnittliches Gewicht zwischen 700 und 1200 Gramm, was dem der meisten anderen Rassen entspricht.
Die ersten Skinny Pigs waren, entsprechend ihren behaarten Elterntieren, einfarbig weiß mit roten Augen. Durch das Einkreuzen anderer Rassen und Farbschlägen existieren sie heute in fast allen Farben und Farbkombinationen, welche man von anderen Meerschweinchenrassen her auch kennt. Lediglich die Farbe Schimmel wird bei Skinnys nicht gezüchtet.
Unterscheidung zwischen Baldwin und Skinny Pigs
Es gibt bei Meerschweinchen zwei sogenannte Nacktrassen, Skinny Pigs und Baldwins, wobei nur die Baldwins wirklich nackt sind.
Baldwins kommen voll behaart zur Welt. Bei ihrer Geburt sind sie optisch nicht von einem Glatthaar-Meerschweinchen zu unterscheiden, verlieren ihr Fell jedoch innerhalb weniger Tage bis Wochen komplett inklusive Tasthaaren und Wimpern. Grund für diesen Haarverlust ist, dass Baldwins keinen Thymus besitzen. In diesem bei Meerschweinchen im Halsbereich liegenden Organ werden die Hormone Thymosin sowie Thymopoetin I und II gebildet, welche für das Heranreifen von T-Lymphozyten (körpereigene Abwehrzellen) wichtig sind, mit deren Hilfe der Körper Fremdstoffe wie Bakterien oder Viren erkennen kann. Folglich ist der Thymus ganz wesentlich am Aufbau des Immunsystems beteiligt.
Eine weitere Eigenschaft der im Thymus gebildeten Hormone (Thymuspeptide) ist es, dass sie regenerierend und stärkend auf die Haarfollikel einwirken, welche die Haarwurzel umgeben und das Haar in der Haut verankern. Durch das völlige Fehlen von Thymuspeptiden fällt dieser regenerierende und stärkende Effekt weg, sodass die Haarfollikel die Haare irgendwann nicht mehr halten können und diese ausfallen.
Die Zucht von Baldwins ist aus ethischer Sicht abzulehnen, da den Tieren mit den Tasthaaren nicht nur ein wichtiges Sinnesorgan zur Orientierung fehlt, sondern mit dem Thymus außerdem ein wesentlicher Bestandteil des Immunsystems. Ihre Lebenserwartung beträgt meist nur wenige Monate. Kaum ein Baldwin erreicht seinen ersten Geburtstag.
In mehreren Ländern werden Baldwins nach dem Tierschutzgesetz als Qualzucht eingestuft. Ihre Zucht ist u.a. in Deutschland, Österreich und der Schweiz verboten.
Skinny Pigs haben genetisch nichts mit Baldwins zu tun. Im Gegensatz zu diesen kommen sie bereits „nackt“ zur Welt, wobei sie eigentlich gar nicht nackt sind: Bei einem Skinny Pig sind alle Haaranlagen vorhanden. Durch eine genetische Mutation findet trotz intakten Haarfollikeln kaum Haarwuchs statt. Nur an bestimmten Körperstellen wachsen die Haare zu einem sichtbaren Fellkleid aus.
Restbehaarung zeigt sich vor allem rund um Nase, Augen und Stirn, sowie an den Füßen. Im Laufe des Lebens, besonders innerhalb der ersten Monate, kann sich die Menge und Lokalisation der vorhandenen Restbehaarung leicht verändern, sodass beispielsweise aus einem eher „nackten“ Skinny im Laufe seiner Entwicklung ein überbehaarter „Werwolf“ werden kann und umgekehrt.
Da Skinny Pigs weder gesundheitlich noch von ihren Sinnesleistungen her eingeschränkt sind und sie Restbehaarung an entscheidenden Stellen besitzen (Wimpern zum Schutz der Augen, Tasthaare zur Orientierung), spricht weder aus ethischer noch rechtlicher Sicht etwas gegen ihre Zucht. Entgegen weit verbreiteter Irrtümer, werden Skinny Pigs weder in Deutschland noch in anderen Ländern als Qualzucht eingestuft, auch nicht nach dem österreichischen Tierschutzgesetz, welches explizit Haarlosigkeit als Qualzuchtmerkmal nennt: Skinnys sind durch das Vorhandensein von Tasthaaren, Wimpern und sonstiger Restbehaarung im Gegensatz zu Baldwins nicht haarlos.
Skinny Pig mit Standardbehaarung (Bild: Sam Szydlik, Zucht: „Kilarney Skinny Pigs vom Waldlandreich“)
Rassestandard und Abweichungen beim Skinny Pig
Ein dem Zuchtstandard entsprechendes Skinny Pig hat behaarte Füße sowie eine sogenannte „V-Behaarung“, welche an der Nasenspitze beginnend in V-Form bis hinauf zu den Ohren verläuft.
Überbehaarte Skinnys, also solche, die stärker behaart sind, als es vom Rassestandard her wünschenswert wäre, werden Werwölfe genannt. Sie besitzen mehr oder weniger über den gesamten Körper verteilt Fell.
Bei unterbehaarten Skinny Pigs ist die erwünschte V-Behaarung meist nur andeutungsweise vorhanden; viele tragen statt dieser lediglich einen „Nasenpush“, also eine behaarte Nasenspitze.
Ein sogenanntes Trägertier ist ein normal behaartes Meerschweinchen, welches das Skinny-Gen in sich trägt. Werden zwei Träger miteinander verpaart, beträgt die Chance, dass Skinny Pigs geboren werden 1:4, also 25 Prozent.
Tasthaare und Wimpern sind sowohl bei über- und unterbehaarten Skinnys vorhanden. Unter bestimmten Voraussetzungen können beide miteinander verpaart werden mit dem Ziel, dem Rassestandard entsprechenden Nachwuchs zu erhalten. Meist werden über- und unterbehaarte Skinny Pigs von Züchtern jedoch als Liebhabertiere vermittelt.
Vererbung
Die „Nacktheit“ vererbt sich rezessiv („zurücktretend“, „nicht in Erscheinung tretend“). Rezessive Erbanlagen setzen sich bei der Vererbung (Merkmalausprägung) nur durch, wenn sie reinerbig vorliegen. Ein Skinny Pig ist in Bezug auf das Gen, welches ein normales Haarwachstum verhindert, ebenso reinerbig wie ein Baldwin in Bezug auf das Fehlen des Thymus, welches zur Haarlosigkeit führt.
Wird ein Skinny Pig (oder Baldwin) mit einem normal behaarten Meerschweinchen gekreuzt, erhält man Träger, also Tiere, die äußerlich wie normal behaarte Meerschweinchen aussehen, jedoch das Skinny-Gen (oder Baldwin-Gen) in sich tragen.
Vererbung beim Skinny Pig im Einzelnen
Skinny Pig/Skinny Pig | 100% Skinny Pig |
Skinny Pig/Trägertier | 50% Skinny Pig 50% Trägertier |
Skinny Pig/ Meerschweinchen ohne Skinny-Gen | 100% Trägertier |
Trägertier/Trägertier | 25% Skinny Pig 50% Trägertier 25% Meerschweinchen ohne Skinny-Gen |
Haltung und Wesen von Skinny Pigs
Trotz ihres andersartigen Aussehens sind Skinny Pigs normale Meerschweinchen mit denselben Ansprüchen an die Haltung wie andere Rassen auch. Sie müssen wegen ihrer fehlenden Behaarung weder besonders behütet werden, wie es zuweilen empfohlen wird, noch möchten sie, wie es diverse Fotos und Videos in den sozialen Medien suggerieren, als lebende Puppen missbraucht, in lustige Pullover, Kostüme und Jäckchen gesteckt, gecremt, gepudert oder shampooniert werden.
Dass Skinnys in unseren Breiten nicht für die Außenhaltung geeignet sind, versteht sich von selbst. Anders als es so oft heißt, brauchen sie jedoch keine speziell beheizten Zimmer von 25 bis 26 Grad. Normale Zimmertemperatur zwischen 20 und 23 Grad, bei der wir Menschen uns – angezogen – wohl fühlen, reicht völlig aus. Außerdem sollte man Skinny Pigs genügend Kuschelsachen anbieten, falls es – zum Beispiel beim Lüften – doch einmal kühler im Raum wird, als es ihnen angenehm ist.
Bedingt durch die extrem dicke Haut, verletzen sich Skinny Pigs nicht eher als behaarte Schweinchen – schon gar nicht bei Kämpfen mit Artgenossen. Welchen Schutz soll denn schon das dünne Meerschweinchenfell bieten vor Zähnen, die mühelos Holz durchbeißen? Man sieht bei Skinnys lediglich eher, wenn sie eine Verletzung haben; dasselbe trifft auf Hauterkrankungen zu. Von daher muss man weder bei der Vergesellschaftung mit behaarten Artgenossen noch mit anderen Skinnys oder bei der Gehege-Einrichtung spezielle Schutzmaßnahmen ergreifen, die sich von denen für Meerschweinchen anderer Rassen unterscheiden.
Skinny Pigs sind von ihrem Wesen her oft überdurchschnittlich zutraulich dem Menschen gegenüber, was wohl darauf zurückzuführen ist, dass ihre Vorfahren aus dem Labor über mehrere Generationen sehr engen, ständigen Kontakt mit Menschen hatten. Außerdem sind sie kleine Temperamentsbündel, die immer in Bewegung sind. Ein geräumiges, artgerecht eingerichtetes Gehege ist daher ein Muss.
In gemischten Gruppen mit behaarten Artgenossen übernehmen Skinnys durch ihr ausgeprägtes Selbstbewusstsein gerne die Rolle des Anführers. Gleichzeitig suchen sie eher den Körperkontakt zu Artgenossen als Meerschweinchen anderer Rassen. Auch dies ist vermutlich auf das beengte Leben ihrer Vorfahren im Labor zurückzuführen. Da die wenigsten behaarten Meerschweinchen es schätzen, untereinander auf Tuchfühlung zu gehen, ist es empfehlenswert, in einer gemischten Gruppe immer mindestens zwei Skinnys zu halten, damit sie sich bei Bedarf aneinander ankuscheln können.
Skinny Pigs haben einen etwas schnelleren Stoffwechsel als die meisten anderen Meerschweinchen. Das Mehr an Futter, das sie zu sich nehmen im Vergleich zu behaarten Meerschweinchen, ist aber überschaubar. Es ist auf keinen Fall so viel, dass es ihre Lebensqualität einschränkt und sie am Spielen, Toben und Spaß haben hindert. In einer Meerschweinchen-Gruppe sind es meist die Skinnys, die am meisten Blödsinn aushecken. Zudem ist der Stoffwechsel im Allgemeinen von Tier zu Tier verschieden. Ich hatte schon Meerschweinchen mit Fell, die deutlich mehr fressen mussten als das durchschnittliche Skinny Pig, um ihr Gewicht zu halten.
Überlegungen vor der Anschaffung
Der Anschaffung eines Skinny Pigs steht nichts im Wege, sofern man sie bei einem seriösen Züchter kauft und folgende 4 Punkte beachtet:
- Haltung bei Zimmertemperatur (20-23 Grad),
- Mindestens 2 Skinnys in einer Gruppe behaarter Meerschweinchen,
- Ausreichend Kuschelhöhlen und -tunnel für alle Tiere der Gruppe,
- Ausreichend Futter rund um die Uhr, um den erhöhten Kalorienbedarf der Skinny Pigs zu decken.
Bei diesem Artikel handelt es sich um einen Gastartikel der Autorin Elisabeth Moussouni, die bereits seit Jahren Skinny Pigs hält und sich aktiv für die Aufklärung über die Rasse einsetzt. Elisabeth hat früher selbst zum Thema gebloggt und ist heute unter anderem auf facebook (Die Guccis) zu finden.
Bildmaterial: Kilarney Skinnypigs Vom Waldlandreich | Guinea Pig Heaven
Titelbild: Elisabeth Moussouni
Skinny Pigs – Nacktmeerschweinchen nackt sind im Meerschweinchen Forum
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